Studienergebnisse des Bayerischen ambulanten Covid-19 Monitor (BaCoM) vorgestellt
Ein interdisziplinäres Studienteam des LMU Klinikums München hat zusammen mit Forschenden der LMU, der Uniklinika Erlangen und Würzburg sowie der Katholischen Stiftungshochschule München über zwei Jahre lang Pflegebedürftige nach einer SARS-CoV-2-Infektion auf physische und psychische Auswirkungen der COVID-19-Pandemie untersucht. Das Bayerische Staatsministerium für Gesundheit und Pflege hat im März 2021 unter Federführung des LMU Klinikums den Bayerischen ambulanten COVID-19 Monitor – kurz BaCoM – ins Leben gerufen, um die gesundheitlichen Auswirkungen der Corona-Pandemie bei Pflegebedürftigen und ihren Versorgern näher unter die Lupe zu nehmen. Nun wurden die vorläufigen Studienergebnisse der multizentrisch angelegten Studie in München vorgestellt. Die Untersuchung der rund 1.000 Studienteilnehmer läuft noch bis 31. Dezember 2023.
„Die Pflegebedürftigen, also betagte Menschen, die an der BaCoM-Studie teilnahmen und eine SARS CoV-2-Infektion oder eine COVID-19-Erkankung überlebt haben, zeigen weniger starke körperliche und seelische Belastungen als zunächst befürchtet. Die COVID-19-Pandemie verstärkt aber bekannte Probleme in der Versorgung wie ein Brennglas. Künftig sollte auch die psycho-soziale Versorgung wie die Unterstützung in der sozialen Teilhabe frühzeitiger und gezielter adressiert werden“, fasst Prof. Dr. Jochen Gensichen, Sprecher der BaCoM-Studie und Direktor des Instituts für Allgemeinmedizin am LMU Klinikum München, die Studienergebnisse zusammen.
Unter den Untersuchten zeigt sich, dass Pflegebedürftige, ihre pflegenden Angehörigen, ihre Pflegekräfte und ihre Hausärzte von der Erkrankung selbst, aber auch besonders von den beschlossenen Schutzmaßnahmen der COVID-19-Pandemie betroffen sind. Die ersten Auswertungen zeigen folgende Ergebnisse:
- Auswirkungen der COVID-19-Pandemie auf die physische Gesundheit: Pflegebedürftige zeigen nach überstandener COVID-19-Erkrankung häufiger längerfristig Symptome eines Erschöpfungssyndroms – der so genannten Fatigue – als nicht Pflegebedürftige nach einer COVID-19-Erkrankung. Bei anderen Post-COVID-Symptomen wie Kurzatmigkeit, Schwindel, kognitive Beeinträchtigungen und Husten gibt es keine signifikanten Unterschiede zwischen Pflegebedürftigen und nicht Pflegebedürftigen.
- Auswirkungen der COVID-19-Pandemie auf die psycho-soziale Gesundheit: Bei Pflegebedürftigen konnte kein Zusammenhang zwischen einer SARS-CoV-2-Infektion und Veränderungen in der Kognition bzw. der Lebensqualität festgestellt werden. Jedoch bedeutet ein symptomatischer Krankheitsverlauf auch ein erhöhtes Risiko für eine depressive Symptomatik. Darüber hinaus haben Pflegebedürftige mit körperlichen Einschränkungen (unabhängig von einer SARS-CoV-2-Infektion) ein erhöhtes Risiko für depressive Verstimmungen. Pflegebedürftige zeigen, bedingt durch die pandemischen Maßnahmen, ein verstärktes Einsamkeitsgefühl. Unterbrochene Familienprozesse, wie der verlässliche Kontakt zu den Verwandten, führen zu Schwierigkeiten, neue Herausforderungen im eigenen Alltag zu bewältigen. Gleichzeitig gibt es wenige spezifische Maßnahmen zur Sicherung der sozialen Teilhabe der Pflegebedürftigen in der Pandemie.
- Immunität der Pflegebedürftigen in der COVID-19-Pandemie: Bei den untersuchten Pflegebedürftigen konnten der Allgemeinbevölkerung vergleichbare Antikörperdynamiken nach COVID-19-Grundimmunisierung und Boosterimpfungen festgestellt werden.
- Auswirkungen der COVID-19-Pandemie auf die Medikationssicherheit: SARS-CoV-2 hat insgesamt einen geringen Einfluss auf die Medikation der Untersuchten. Über 70 Prozent der Pflegebedürftigen mit und ohne SARS-CoV-2-Infektion sind von einer potenziell riskanten Medikation betroffen und damit einem hohen Risiko unerwünschter Arzneimittelnebenwirkungen ausgesetzt. Darüber hinaus ist mindestens jeder Zweite von einer möglichen Unterversorgung betroffen.
- Auswirkungen der COVID-19-Pandemie auf die professionell Pflegenden und pflegenden Angehörigen: Professionell Pflegende, sowohl im ambulanten Bereich als auch in der stationären Altenpflege, und die pflegenden Angehörigen zeigten eine emotionale Erschöpfung in der Covid-19-Pandemie. Die von pflegenden Angehörigen wahrgenommene hohe Belastung durch die Pflege, aber auch eine Depressivität verringern ihr Vertrauen in die SARS-CoV-2-Impfung.
- Auswirkungen der COVID-19-Pandemie auf die Prozesse der Versorgung: Die Pandemie führt zu Routineverlusten innerhalb von Organisationen des Gesundheitswesens und bringt neue Koordinationserfordernisse von multiplen Aufgaben und Akteuren mit sich. Dies wird vielfach als Krise wahrgenommen: Lösungen, wie beispielsweise die infektiologisch gut begründeten starken Quarantänemaßnahmen, führen in der psycho-sozialen Versorgung zu massiven Problemen. Überforderungen im Management solcher Schnittstellen werden offensichtlich.
Hintergrund Beim Bayerischen ambulanten Covid-19 Monitor (BaCoM) handelt es sich um eine multizentrische, interdisziplinäre Kohortenstudie, die die psychischen, sozialen, klinischen und physiologischen Auswirkungen von COVID-19-Erkrankungen bei rund 1.000 Pflegebedürftigen in der ambulanten und stationären Langzeitpflege untersucht. Darüber hinaus wurden die pflegenden Angehörigen, die professionell Pflegenden und die Hausärzte zur Versorgungsituation der Untersuchten befragt. Dieser Monitor ist die bundesweit größte systematische Untersuchung dieser Art, die vom Bayerischen Staatsministerium für Gesundheit, Pflege und Prävention gefördert wird.
Ansprechpartner:
Prof. Dr. med. Jochen Gensichen
Direktor des Instituts für Allgemeinmedizin
LMU Klinikum München
E-Mail: jochen.gensichen@med.uni-muenchen.de
Textquelle: LMU Klinikum, Kommunikation und Medien
Forschung & Entwicklung
Studienergebnisse des Bayerischen ambulanten Covid-19 Monitor (BaCoM) vorgestellt
Ein interdisziplinäres Studienteam des LMU Klinikums München hat zusammen mit Forschenden der LMU, der Uniklinika Erlangen und Würzburg sowie der Katholischen Stiftungshochschule München über zwei Jahre lang Pflegebedürftige nach einer SARS-CoV-2-Infektion auf physische und psychische Auswirkungen der COVID-19-Pandemie untersucht. Das Bayerische Staatsministerium für Gesundheit und Pflege hat im März 2021 unter Federführung des LMU Klinikums den Bayerischen ambulanten COVID-19 Monitor – kurz BaCoM – ins Leben gerufen, um die gesundheitlichen Auswirkungen der Corona-Pandemie bei Pflegebedürftigen und ihren Versorgern näher unter die Lupe zu nehmen. Nun wurden die vorläufigen Studienergebnisse der multizentrisch angelegten Studie in München vorgestellt. Die Untersuchung der rund 1.000 Studienteilnehmer läuft noch bis 31. Dezember 2023.
„Die Pflegebedürftigen, also betagte Menschen, die an der BaCoM-Studie teilnahmen und eine SARS CoV-2-Infektion oder eine COVID-19-Erkankung überlebt haben, zeigen weniger starke körperliche und seelische Belastungen als zunächst befürchtet. Die COVID-19-Pandemie verstärkt aber bekannte Probleme in der Versorgung wie ein Brennglas. Künftig sollte auch die psycho-soziale Versorgung wie die Unterstützung in der sozialen Teilhabe frühzeitiger und gezielter adressiert werden“, fasst Prof. Dr. Jochen Gensichen, Sprecher der BaCoM-Studie und Direktor des Instituts für Allgemeinmedizin am LMU Klinikum München, die Studienergebnisse zusammen.
Unter den Untersuchten zeigt sich, dass Pflegebedürftige, ihre pflegenden Angehörigen, ihre Pflegekräfte und ihre Hausärzte von der Erkrankung selbst, aber auch besonders von den beschlossenen Schutzmaßnahmen der COVID-19-Pandemie betroffen sind. Die ersten Auswertungen zeigen folgende Ergebnisse:
- Auswirkungen der COVID-19-Pandemie auf die physische Gesundheit: Pflegebedürftige zeigen nach überstandener COVID-19-Erkrankung häufiger längerfristig Symptome eines Erschöpfungssyndroms – der so genannten Fatigue – als nicht Pflegebedürftige nach einer COVID-19-Erkrankung. Bei anderen Post-COVID-Symptomen wie Kurzatmigkeit, Schwindel, kognitive Beeinträchtigungen und Husten gibt es keine signifikanten Unterschiede zwischen Pflegebedürftigen und nicht Pflegebedürftigen.
- Auswirkungen der COVID-19-Pandemie auf die psycho-soziale Gesundheit: Bei Pflegebedürftigen konnte kein Zusammenhang zwischen einer SARS-CoV-2-Infektion und Veränderungen in der Kognition bzw. der Lebensqualität festgestellt werden. Jedoch bedeutet ein symptomatischer Krankheitsverlauf auch ein erhöhtes Risiko für eine depressive Symptomatik. Darüber hinaus haben Pflegebedürftige mit körperlichen Einschränkungen (unabhängig von einer SARS-CoV-2-Infektion) ein erhöhtes Risiko für depressive Verstimmungen. Pflegebedürftige zeigen, bedingt durch die pandemischen Maßnahmen, ein verstärktes Einsamkeitsgefühl. Unterbrochene Familienprozesse, wie der verlässliche Kontakt zu den Verwandten, führen zu Schwierigkeiten, neue Herausforderungen im eigenen Alltag zu bewältigen. Gleichzeitig gibt es wenige spezifische Maßnahmen zur Sicherung der sozialen Teilhabe der Pflegebedürftigen in der Pandemie.
- Immunität der Pflegebedürftigen in der COVID-19-Pandemie: Bei den untersuchten Pflegebedürftigen konnten der Allgemeinbevölkerung vergleichbare Antikörperdynamiken nach COVID-19-Grundimmunisierung und Boosterimpfungen festgestellt werden.
- Auswirkungen der COVID-19-Pandemie auf die Medikationssicherheit: SARS-CoV-2 hat insgesamt einen geringen Einfluss auf die Medikation der Untersuchten. Über 70 Prozent der Pflegebedürftigen mit und ohne SARS-CoV-2-Infektion sind von einer potenziell riskanten Medikation betroffen und damit einem hohen Risiko unerwünschter Arzneimittelnebenwirkungen ausgesetzt. Darüber hinaus ist mindestens jeder Zweite von einer möglichen Unterversorgung betroffen.
- Auswirkungen der COVID-19-Pandemie auf die professionell Pflegenden und pflegenden Angehörigen: Professionell Pflegende, sowohl im ambulanten Bereich als auch in der stationären Altenpflege, und die pflegenden Angehörigen zeigten eine emotionale Erschöpfung in der Covid-19-Pandemie. Die von pflegenden Angehörigen wahrgenommene hohe Belastung durch die Pflege, aber auch eine Depressivität verringern ihr Vertrauen in die SARS-CoV-2-Impfung.
- Auswirkungen der COVID-19-Pandemie auf die Prozesse der Versorgung: Die Pandemie führt zu Routineverlusten innerhalb von Organisationen des Gesundheitswesens und bringt neue Koordinationserfordernisse von multiplen Aufgaben und Akteuren mit sich. Dies wird vielfach als Krise wahrgenommen: Lösungen, wie beispielsweise die infektiologisch gut begründeten starken Quarantänemaßnahmen, führen in der psycho-sozialen Versorgung zu massiven Problemen. Überforderungen im Management solcher Schnittstellen werden offensichtlich.
Hintergrund Beim Bayerischen ambulanten Covid-19 Monitor (BaCoM) handelt es sich um eine multizentrische, interdisziplinäre Kohortenstudie, die die psychischen, sozialen, klinischen und physiologischen Auswirkungen von COVID-19-Erkrankungen bei rund 1.000 Pflegebedürftigen in der ambulanten und stationären Langzeitpflege untersucht. Darüber hinaus wurden die pflegenden Angehörigen, die professionell Pflegenden und die Hausärzte zur Versorgungsituation der Untersuchten befragt. Dieser Monitor ist die bundesweit größte systematische Untersuchung dieser Art, die vom Bayerischen Staatsministerium für Gesundheit, Pflege und Prävention gefördert wird.
Ansprechpartner:
Prof. Dr. med. Jochen Gensichen
Direktor des Instituts für Allgemeinmedizin
LMU Klinikum München
E-Mail: jochen.gensichen@med.uni-muenchen.de
Textquelle: LMU Klinikum, Kommunikation und Medien
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