
Wenn das Leben auf der Straße krank macht: Forschende stellen neue Studie vor
Obdachlos gleich krank? München verfügt zwar über ein breites Hilfsnetzwerk für Wohnungslose, das Versorgungsangebot für Menschen ohne Krankenversicherung oder Anspruch auf Sozialleistungen ist dennoch ernüchternd. Viele von ihnen befinden sich in prekären Strukturen und erhalten nur eine medizinische Notversorgung. Vor allem Menschen mit Migrationshintergrund, ohne Krankenversicherung und Anspruch auf Sozialleistungen sind stark betroffen. Da ihnen der Zugang zu einer adäquaten Behandlung oft fehlt, nehmen die chronischen Krankheiten in dieser vulnerablen Gruppe konstant zu. Zu den häufigsten Krankheiten zählen psychische Störungen, Herzkreislauferkrankungen, Diabetes mellitus, Durchblutungsstörungen, offene Wunden sowie Atemwegs-, Gefäß- und Zahnerkrankungen. Eine weitere besorgniserregende Entwicklung ist: Der Anteil wohnungsloser Menschen ohne Versicherungsschutz steigt. Bestärkt wird dies auch durch den angespannten Immobilienmarkt – vor allem in Großstädten.
Die Studie Neue Wege in der Gesundheitsversorgung und Gesundheitsförderung wohnungsloser Menschen der Katholischen Stiftungshochschule München (KSH München) und des Katholischen Männerfürsorgevereins München e.V. (kmfv) widmete sich der Gesundheit wohnungsloser Menschen. Durchgeführt wurde sie von Prof. Dr. Peter Franz Lenninger, Professor für Sozialarbeitswissenschaft, Sozialpädagogik und Sozialpolitik an der KSH München, Dr. Gerd Reifferscheid, Projektleiter seitens des kmfvs, und Vera Richter, wissenschaftliche Mitarbeiterin des Verbundprojekts. Die Erzdiözese München und Freising finanzierte das Forschungsprojekt. An der KSH München wurden am Donnerstag, 27. Februar 2025, die umfassenden Ergebnisse vorgestellt.
Neben der Präsentation der Projektergebnisse gehörten zur Abschlussveranstaltung auch ein Fachvortrag zu „Gesundheit und Wohnungslosigkeit“ sowie vier Workshops zu Schwerpunkten aus der Studie. Eine Podiumsdiskussion, bei der auch das Plenum zu Wort kam, rundete die Veranstaltung ab. Prof. Dr. Andreas Schwarz, Vizepräsident der KSH München, Ludwig Mittermeier, Vorstand des kmfvs, und Alois Obermeier, Abteilungsleiter des Erzbischöflichem Ordinariats München, eröffneten die Abschlussveranstaltung mit ihren Grußworten. Prof. Dr. Monika Brönner von der Hochschule München hielt im Rahmen der Veranstaltung einen Fachvortrag. An der Podiumsdiskussion beteiligten sich Gerhard Mayer, Leiter des Amtes für Wohnen und Migration, Prof. Dr. Stephan Heres, Chefarzt der kbo-Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie Nord Schwabing, Jörn Scheuermann, Geschäftsführer und Koordinator der Arbeitsgemeinschaft Wohnungsnotfallhilfe München und Oberbayern, Christine Meyer, Leiterin des Kliniksozialdienstes an der München Klinik Harlaching, Uwe Vittinghof, Wohnungslosenvertreter aus dem Haus an der Knorrstraße, und Ludwig Mittermeier.
Von 2019 bis 2025 hat das Forschungsprojekt „Neue Wege in der Gesundheitsversorgung und Gesundheitsförderung wohnungsloser Menschen“ die Versorgungsdefizite wohnungsloser Menschen hinsichtlich der medizinischen, pflegerischen, psychiatrischen und psychosozialen Versorgung erhoben sowie neue Versorgungskonzepte erarbeitet und erprobt. Zudem lieferte das Projekt Verbesserungsansätze, die bereits zum Teil umgesetzt wurden. Die Ausgangslage der umfassenden Studie war, dass Politik und Gesellschaft die gesundheitliche Versorgung und Förderung wohnungsloser Menschen vernachlässigen und die strukturellen Barrieren und Exklusionsrisiken von Obdachlosen steigen. Mit dem Verbundprojekt konnte an die wichtige SEEWOLF-Studie, die sich mit der seelischen Erkrankungsrate wohnungsloser Menschen im Großraum München beschäftigte, angeknüpft werden.
Die Forschungsschwerpunkte der jüngsten Studie waren: das Entlassmanagement, die Krankenwohnung, die pflegerische und psychiatrische Versorgung sowie die Gesundheitsförderung bei wohnungslosen Menschen. Der methodische Fokus lag dabei auf qualitativen Befragungen, um so die verschiedenen Aspekte der Versorgung zu untersuchen und erste Verbesserungsvorschläge zu entwickeln. Die Methoden beinhalteten qualitative Interviews, Prozess- und Ergebnisevaluierungen, Sekundärdatenanalysen sowie eine quantitative Befragung. „Die Lage in der psychiatrischen Versorgung wohnungsloser Menschen hat sich in den vergangenen Jahren bedauerlicherweise verschärft statt verbessert“, sagt Prof. Dr. Peter Franz Lenninger, Professor für Sozialarbeitswissenschaft, Sozialpädagogik und Sozialpolitik an der KSH München sowie wissenschaftlicher Leiter des Forschungsprojekts. „Zudem geschieht die medizinische, pflegerische und psychiatrische Versorgung wohnungsloser und obdachloser Menschen zunehmend in einem Parallelsystem zur Regelversorgung“, nennt der Professor weitere Ergebnisse der Studie.
Eine quantitative Online-Befragung wurde für die Untersuchung der Gesundheitsförderung von wohnungslosen Menschen in ganz Deutschland durchgeführt. Gemeinsam mit der Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe in Berlin beleuchtete Vera Richter Angebote, Handlungsfelder und Bedarfe der Gesundheitsförderung bei obdachlosen Menschen. „Der Bedarf an gesundheitsfördernden Interventionen wird in der Wohnungslosenhilfe als hoch eingeschätzt. Umso wichtiger ist es, Leistungen für diese Zielgruppe zur Verfügung zu stellen und so einen Beitrag zur gesundheitlichen Chancengleichheit bei sozial benachteiligten Gruppen zu leisten“, betont Vera Richter.
Bereits seit vielen Jahren besteht eine Kooperation zwischen der KSH München und dem kmfv in den Bereichen Studium und Lehre, Forschung und Entwicklung, Fort- und Weiterbildung sowie Wissenstransfer. Auch im aktuellen Forschungsprojekt konnten Wissenschaft und Praxis optimal miteinander verzahnt werden. Einerseits konnte Dr. Gerd Reifferscheid seine langjährige Fachexpertise einbringen. Anderseits war es bereits während des Forschungszeitraums möglich mit der Krankenwohnung des kmfvs wichtige Erkenntnisse des Projektes in die Praxis umzusetzen. ln der Krankenwohnung können obdachlose Menschen mit schwerwiegenden Erkrankungen in Ruhe gesund werden und durch sozialarbeiterische Unterstützung neue Perspektiven entwickeln. Neben der Grund- und Behandlungspflege sowie der Begleitung zu Fachärzten und medizinischen Untersuchungen können sie dort unter anderem soziale Beratung, die Unterstützung bei der Abklärung ihrer Wohnperspektive und die Vermittlung in Anschlusshilfen in Anspruch nehmen. Insgesamt bietet die Krankenwohnung Platz für vier Personen.
Das Forschungsprojekt hat Versorgungsdefizite nichtversicherter oder älterer pflegebedürftiger wohnungsloser Menschen identifiziert und Verbesserungsmöglichkeiten entwickelt. Wichtig wird es sein, dass diese Erkenntnisse weiterhin in praktische Umsetzung gelangen, um den betroffenen wohnungslosen Menschen eine bessere medizinische, pflegerische, psychiatrische und psychosoziale Versorgung zu ermöglichen“, erklärt Dr. Gerd Reifferscheid.
Bei (Presse-)Rückfragen können Sie sich gerne an folgenden Kontakt wenden:
Andreas Dengler, andreas.dengler@ksh-m.de
> Pressemitteilung als PDF-Datei
Forschung & Entwicklung

Wenn das Leben auf der Straße krank macht: Forschende stellen neue Studie vor
Obdachlos gleich krank? München verfügt zwar über ein breites Hilfsnetzwerk für Wohnungslose, das Versorgungsangebot für Menschen ohne Krankenversicherung oder Anspruch auf Sozialleistungen ist dennoch ernüchternd. Viele von ihnen befinden sich in prekären Strukturen und erhalten nur eine medizinische Notversorgung. Vor allem Menschen mit Migrationshintergrund, ohne Krankenversicherung und Anspruch auf Sozialleistungen sind stark betroffen. Da ihnen der Zugang zu einer adäquaten Behandlung oft fehlt, nehmen die chronischen Krankheiten in dieser vulnerablen Gruppe konstant zu. Zu den häufigsten Krankheiten zählen psychische Störungen, Herzkreislauferkrankungen, Diabetes mellitus, Durchblutungsstörungen, offene Wunden sowie Atemwegs-, Gefäß- und Zahnerkrankungen. Eine weitere besorgniserregende Entwicklung ist: Der Anteil wohnungsloser Menschen ohne Versicherungsschutz steigt. Bestärkt wird dies auch durch den angespannten Immobilienmarkt – vor allem in Großstädten.
Die Studie Neue Wege in der Gesundheitsversorgung und Gesundheitsförderung wohnungsloser Menschen der Katholischen Stiftungshochschule München (KSH München) und des Katholischen Männerfürsorgevereins München e.V. (kmfv) widmete sich der Gesundheit wohnungsloser Menschen. Durchgeführt wurde sie von Prof. Dr. Peter Franz Lenninger, Professor für Sozialarbeitswissenschaft, Sozialpädagogik und Sozialpolitik an der KSH München, Dr. Gerd Reifferscheid, Projektleiter seitens des kmfvs, und Vera Richter, wissenschaftliche Mitarbeiterin des Verbundprojekts. Die Erzdiözese München und Freising finanzierte das Forschungsprojekt. An der KSH München wurden am Donnerstag, 27. Februar 2025, die umfassenden Ergebnisse vorgestellt.
Neben der Präsentation der Projektergebnisse gehörten zur Abschlussveranstaltung auch ein Fachvortrag zu „Gesundheit und Wohnungslosigkeit“ sowie vier Workshops zu Schwerpunkten aus der Studie. Eine Podiumsdiskussion, bei der auch das Plenum zu Wort kam, rundete die Veranstaltung ab. Prof. Dr. Andreas Schwarz, Vizepräsident der KSH München, Ludwig Mittermeier, Vorstand des kmfvs, und Alois Obermeier, Abteilungsleiter des Erzbischöflichem Ordinariats München, eröffneten die Abschlussveranstaltung mit ihren Grußworten. Prof. Dr. Monika Brönner von der Hochschule München hielt im Rahmen der Veranstaltung einen Fachvortrag. An der Podiumsdiskussion beteiligten sich Gerhard Mayer, Leiter des Amtes für Wohnen und Migration, Prof. Dr. Stephan Heres, Chefarzt der kbo-Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie Nord Schwabing, Jörn Scheuermann, Geschäftsführer und Koordinator der Arbeitsgemeinschaft Wohnungsnotfallhilfe München und Oberbayern, Christine Meyer, Leiterin des Kliniksozialdienstes an der München Klinik Harlaching, Uwe Vittinghof, Wohnungslosenvertreter aus dem Haus an der Knorrstraße, und Ludwig Mittermeier.
Von 2019 bis 2025 hat das Forschungsprojekt „Neue Wege in der Gesundheitsversorgung und Gesundheitsförderung wohnungsloser Menschen“ die Versorgungsdefizite wohnungsloser Menschen hinsichtlich der medizinischen, pflegerischen, psychiatrischen und psychosozialen Versorgung erhoben sowie neue Versorgungskonzepte erarbeitet und erprobt. Zudem lieferte das Projekt Verbesserungsansätze, die bereits zum Teil umgesetzt wurden. Die Ausgangslage der umfassenden Studie war, dass Politik und Gesellschaft die gesundheitliche Versorgung und Förderung wohnungsloser Menschen vernachlässigen und die strukturellen Barrieren und Exklusionsrisiken von Obdachlosen steigen. Mit dem Verbundprojekt konnte an die wichtige SEEWOLF-Studie, die sich mit der seelischen Erkrankungsrate wohnungsloser Menschen im Großraum München beschäftigte, angeknüpft werden.
Die Forschungsschwerpunkte der jüngsten Studie waren: das Entlassmanagement, die Krankenwohnung, die pflegerische und psychiatrische Versorgung sowie die Gesundheitsförderung bei wohnungslosen Menschen. Der methodische Fokus lag dabei auf qualitativen Befragungen, um so die verschiedenen Aspekte der Versorgung zu untersuchen und erste Verbesserungsvorschläge zu entwickeln. Die Methoden beinhalteten qualitative Interviews, Prozess- und Ergebnisevaluierungen, Sekundärdatenanalysen sowie eine quantitative Befragung. „Die Lage in der psychiatrischen Versorgung wohnungsloser Menschen hat sich in den vergangenen Jahren bedauerlicherweise verschärft statt verbessert“, sagt Prof. Dr. Peter Franz Lenninger, Professor für Sozialarbeitswissenschaft, Sozialpädagogik und Sozialpolitik an der KSH München sowie wissenschaftlicher Leiter des Forschungsprojekts. „Zudem geschieht die medizinische, pflegerische und psychiatrische Versorgung wohnungsloser und obdachloser Menschen zunehmend in einem Parallelsystem zur Regelversorgung“, nennt der Professor weitere Ergebnisse der Studie.
Eine quantitative Online-Befragung wurde für die Untersuchung der Gesundheitsförderung von wohnungslosen Menschen in ganz Deutschland durchgeführt. Gemeinsam mit der Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe in Berlin beleuchtete Vera Richter Angebote, Handlungsfelder und Bedarfe der Gesundheitsförderung bei obdachlosen Menschen. „Der Bedarf an gesundheitsfördernden Interventionen wird in der Wohnungslosenhilfe als hoch eingeschätzt. Umso wichtiger ist es, Leistungen für diese Zielgruppe zur Verfügung zu stellen und so einen Beitrag zur gesundheitlichen Chancengleichheit bei sozial benachteiligten Gruppen zu leisten“, betont Vera Richter.
Bereits seit vielen Jahren besteht eine Kooperation zwischen der KSH München und dem kmfv in den Bereichen Studium und Lehre, Forschung und Entwicklung, Fort- und Weiterbildung sowie Wissenstransfer. Auch im aktuellen Forschungsprojekt konnten Wissenschaft und Praxis optimal miteinander verzahnt werden. Einerseits konnte Dr. Gerd Reifferscheid seine langjährige Fachexpertise einbringen. Anderseits war es bereits während des Forschungszeitraums möglich mit der Krankenwohnung des kmfvs wichtige Erkenntnisse des Projektes in die Praxis umzusetzen. ln der Krankenwohnung können obdachlose Menschen mit schwerwiegenden Erkrankungen in Ruhe gesund werden und durch sozialarbeiterische Unterstützung neue Perspektiven entwickeln. Neben der Grund- und Behandlungspflege sowie der Begleitung zu Fachärzten und medizinischen Untersuchungen können sie dort unter anderem soziale Beratung, die Unterstützung bei der Abklärung ihrer Wohnperspektive und die Vermittlung in Anschlusshilfen in Anspruch nehmen. Insgesamt bietet die Krankenwohnung Platz für vier Personen.
Das Forschungsprojekt hat Versorgungsdefizite nichtversicherter oder älterer pflegebedürftiger wohnungsloser Menschen identifiziert und Verbesserungsmöglichkeiten entwickelt. Wichtig wird es sein, dass diese Erkenntnisse weiterhin in praktische Umsetzung gelangen, um den betroffenen wohnungslosen Menschen eine bessere medizinische, pflegerische, psychiatrische und psychosoziale Versorgung zu ermöglichen“, erklärt Dr. Gerd Reifferscheid.
Bei (Presse-)Rückfragen können Sie sich gerne an folgenden Kontakt wenden:
Andreas Dengler, andreas.dengler@ksh-m.de
> Pressemitteilung als PDF-Datei
Forschung & Entwicklung